Originally aired on January 12 @ 3:30 PM - 4:00 PM EST
Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) von 2017 hat Deutschland der öffentlichen Verwaltung ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Ab Ende 2022 sollen alle Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen digital über Online-Portale zugänglich sein. Der ehemalige Kanzleramtsminister und heutige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wettet bereits zwölf Flaschen Grauburgunder, dass Deutschland bis dahin die „bürgerfreundlichste Verwaltung Europas“ haben wird. Die Uhr für die Behörden tickt.
Schon heute ist sicher: Die Verantwortlichen stehen vor einer Herkulesaufgabe. Denn bislang kommt die Digitalisierung der Verwaltung trotz erheblicher Investitionen nur langsam voran. Leuchttürme wie die Einführung der elektronischen Steuererklärung über das Elster-Formular – 21 Millionen Bürger und Unternehmen nutzen den Service mittlerweile – bleiben die Ausnahme. Insgesamt schneidet das E-Government hierzulande eher schlecht ab: Im Ranking der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2016 erreicht Deutschland unter den 28 EU-Staaten nur Platz 18.
Darüber wollen wir heute mit Dr. Eva-Charlotte Proll, Geschäftsleitung des Verlags Behördenspiegel sprechen.
Ja, hallo, herzlich willkommen zu Cloudflare TV. Mein Name ist Frank Giessen und ich begrüße heute recht herzlich Dr.
Eva-Charlotte Proll vom Behördenspiegel. Wir haben heute uns ein spannendes Thema ausgesucht und wollen über die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung sprechen.
Wo stehen wir da? Und ja, erstmal vielen Dank, Eva-Charlotte, dass du heute für uns Zeit hast.
Wir freuen uns sehr.
Du hast ja einen aufregenden Lebenslauf und bist seit 2019 jetzt auch in der Geschäftsführung vom Behördenspiegel, bist dort verantwortlich für Unternehmensentwicklung, Digitalisierung unter anderem, digitale Verwaltung, IT-Security, also alle spannenden Themen.
Du warst vorher bei Capgemini, hast dort auch digitale Transformation zum Beispiel in der öffentlichen Verwaltung verantwortet, bist externe Lehrbeauftragte an der Hochschule für Wirtschaft und Rechte in Berlin, externe Lehrbeauftragte an der Uni Potsdam, hast da einen Doktortitel zum Thema transnationale Gerechtigkeit in der EU gemacht, auch an der Universität Potsdam.
Also Respekt. Vielleicht erzählst du ein bisschen was von dir und vor allen Dingen ja auch, was macht eigentlich der Behördenspiegel?
Ihr seid ja wirklich eine kleine Wundertüte, was ihr alles so auf und in eurem Portfolio habt.
Ja, auch erstmal ein herzliches Hallo von mir, beziehungsweise von meiner Seite an dich, lieber Frank, und natürlich auch an die Zuschauerinnen und Zuschauer von Cloudflare TV und Dank für die Einladung, für das heutige Interview und auch die Möglichkeit, hier mit dir gemeinsam über den Stand der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung sprechen zu können.
Ja, du hast meinen Lebenslauf schon ein bisschen beschrieben. Ich bin von einer sehr theoretischen Ecke aus der politischen Theorie dann in eine sehr praktische und eine sehr schnelllebige Welt im Prinzip eingestiegen, nämlich die Digitalisierung, die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung und habe sozusagen meine erste Berufserfahrung auch in einem großen IT-Beratungshaus eben gemacht und dort sehr viel gelernt und sehr viele unterschiedliche Einblicke gehabt in eben kommunale Digitalisierung, in Landes-Digitalisierungsprogramme, aber auch eben in die Vorhaben des Bundes und dort mit den unterschiedlichsten Akteuren in Zusammenhang getreten beziehungsweise in Kontakt getreten und dann sozusagen zum Behördenspiegel gewechselt.
Der Behördenspiegel ist ein kleines Familienunternehmen.
Wir produzieren seit 35 Jahren die größte und auflagenstärkste unabhängige Zeitung für den öffentlichen Dienst mit einer geprüften IVW-Auflage von über 100.000 Exemplaren und berichten dort im Prinzip über die aktuellen Themen rund um die Verwaltung.
Das ist jetzt nicht nur Verwaltungsdigitalisierung, betrifft beispielsweise auch kommunal oder Personalthemen, innere und äußere Sicherheit und ich durfte auch da eine sehr große und spannende Entwicklung mitmachen im vergangenen Jahr beziehungsweise in den vergangenen anderthalb Jahren, nämlich der Transformation dieses mittelständischen Unternehmens im Prinzip.
Ich habe angefangen beim Behördenspiegel und da wurde ich mit großen Augen angeguckt, als ich gesagt habe, wir nutzen jetzt hier mal bitte ein Videokonferenzsystem und dann sind wir in die Krise reingeschlittert und auf einmal war das plötzlich für alle eine Selbstverständlichkeit und es hat mir unheimlich geholfen, sowohl intern Prozesse zu digitalisieren als auch extern, was natürlich auch im Zusammenhang mit den Kunden der öffentlichen Verwaltung eine Herausforderung ist, weil man immer gucken muss, wie nehmen die Leute, mit denen man operiert oder mit denen man agiert, auch dann sozusagen die Produkte an und so haben wir uns in drei Themenbereichen extrem verändert.
Das ist sozusagen der eine Themenbereich Redaktion, wo wir eben verstärkt auch auf Online-Sätzen neue Produkte auf den Markt gebracht haben, wie Podcasts etc.
Und das zweite, der Bereich Kongresse.
Wir haben seit über einem Jahr, ich gucke hier gerade auf den Kalender, keine Realveranstaltungen mehr durchgeführt, sondern fast ausschließlich nur noch Online-Veranstaltungen und der dritte Bereich sind Fortbildungsveranstaltungen.
Wir haben teilweise Zertifizierungskurse von bis zu fünf Tagen vor Ort angeboten zum IT-Sicherheitsbeauftragten etc.
und das findet nun komplett alles online und digital statt und so haben wir am eigenen Leib auch erlebt, wie sich die Digitalisierung bei uns auf den täglichen Arbeitsalltag auswirkt.
Ja, ich meine faszinierend, wer hätte das gedacht, dass da gerade das, was du vorher gemacht hast, dass das dann durch die Pandemie bedingt so schnell dann auch bei euch eingeführt werden musste und ich meine, das finde ich schon beeindruckend, wie ihr das gemanagt habt und dass ihr ja eigentlich vom Prinzip her euch zwar teilweise komplett neu erfinden musstet, also ihr musstet es ja einfach versuchen, denn ich kenne euch ja genau von den Kongressen, die sowas von beeindruckend waren, aber sie waren ja eben alle live und alle vor Ort.
Ich kann mich noch gut erinnern an solche Sätze, wie das mal jemand gesagt hätte bei einem Behördenspiegel, da sind mehr Innenminister vertreten beim Polizeikongress als bei mancher internen Sitzung.
Das ist schon ein toller Ruf und den habt ihr auch weit über die Verwaltung hinaus.
Ja, kommen wir mal zu unserem Thema.
Also digitalisierende öffentlichen Hand. Ich meine, das erleben wir ja auch gerade, wenn wir so an die ganze Thematik denken, die mit der Pandemie zu tun hat, so Impftermin ist das Stichwort, kommen wir nachher noch so ein bisschen drauf.
Es gibt ja was ganz Spannendes und zwar das Online-Zugangsgesetz.
Das ist vor allen Dingen deswegen spannend, weil es eben in 2017 sich ein sehr aggressives Ziel für Deutschland gesetzt hat.
Nämlich, dass ab 2022 alle Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen digital über Online-Portale verfügbar sein sollen.
Ich meine, 2022 haben wir in ein paar Monaten und der damalige oder ehemalige Kanzleramtsminister und heutige Bundeswirtschaftsminister Peter Allmayer hat damals wohl in einer Feierlaune eine Zwölflasche Grauburg untergewettet, dass man in Deutschland bis dahin die bürgerfreundlichste Verwaltung Europas haben wird.
Jetzt seid ihr ja auch in Berlin vertreten. Ich glaube, das könnt ihr im Moment noch nicht wirklich bestätigen.
Und deswegen kann man ja heute schon sagen, das ist eine Herkulesaufgabe.
Es gibt wenig Leuchttürme, die Deutschland da vorzuweisen hat.
Die elektronische Steuererklärung, die E-Zoll-Formulare ist zu eins mit 21 Millionen Bürgern und Unternehmen, die diesen Service nutzen.
Ansonsten, wenn man so in Rankings guckt, noch 2016 war Deutschland unter den damals noch 28 EU-Staaten auf Platz 18.
Das ist ja eher so ein bisschen unteres Mittelfeld.
Ja, wo stehen wir mit diesem Ziel der bürgerfreundlichsten Verwaltung Europas?
Wie schätzt du das ein? Also erst mal ist das natürlich eine riesige Frage und da muss ich mir jetzt auch gut überlegen, wo ich anfange mit meiner Erklärung.
Es ist tatsächlich so, ja, wir sind nicht so digital wie andere europäische Staaten und liegen im europäischen Mittelfeld.
Jahrelang lagen wir im hinteren europäischen Mittelfeld.
Also wir sind sozusagen ein bisschen schneckenmäßig schon vorwärts gekommen und die Herausforderungen oder die Schwächen, die sozusagen hier zutage getragen werden, haben mehrere Gründe.
Dazu gehört natürlich zum einen die zerklüftete föderale IT-Landschaft.
Auf die unterschiedlichen finanziellen Ausgangssituationen der Akteure kommen auch noch teilweise fehlende Verantwortlichkeiten.
Also auch eine entsprechende Rolle, mit der sozusagen Verwaltungsdigitalisierung vorangetrieben wird.
Mittlerweile ist das Thema auf staatlicher Ebene ganz gut oben aufgehangen.
Also viele Kommunen und auch andere Bundesländer haben ein CDO, also einen Chief Digital Officer oder einen CIO, Chief Information Officer und auch der Bund hat mit seinem CIO im Bundesministerium des Inneren und der Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt die entsprechenden Voraussetzungen getroffen.
Jetzt sind Rollen natürlich noch kein Indikator oder Personal kein Indikator dafür, dass die Digitalisierung voranschreitet oder vorangeht.
Und da sind wir eigentlich schon beim Knackpunkt, was bedeutet überhaupt Digitalisierung und gerade auch in dem Zusammenhang mit dem, was du gesagt hast, also dem Stichwort bürgerfreundliche Verwaltung.
Ich glaube, dem Graube Gunde an der Stelle, da können wir schon mal eine Flasche aufmachen.
Ja, also bürgerfreundlich bedeutet ja vor allen Dingen nutzerfreundlich, gerade wenn man es sozusagen auf die Digitalisierung eben anwendet und die Services oder Dienstleistungen, die digitalisiert werden sollen bis Ende 2022, also bis 1.1.23 im Prinzip durch das OZG bedeutet eigentlich in dem Sinne nur eine Digitalisierung im Frontend der Leistung.
Das heißt, ich als Bürgerin oder als Bürger kann meinen Antrag jetzt digital bei der Behörde einreichen.
Da ist aber die Frage, impliziert das tatsächlich schon sozusagen diese hundertprozentige Bürgerfreundlichkeit?
Denn bürgerfreundlich wird es ja auch, wenn ich erst oder wird es auch erst, wenn ich als Bürger nicht einen Antrag in ähnlicher Art und Weise mehrfach stellen muss.
Das heißt, wenn ich beispielsweise aus einer Lebenslage heraus mehrere Leistungen beantragen muss und meine Daten immer wieder eingeben muss, sondern bürgerfreundlich wird es ja für mich auch erst, wenn der Prozess einfach ist.
Und wir kennen das aus der Wirtschaft und die Wirtschaft geht ja hier ganz stark voran mit diversen Prinzipien.
Also es ist auch eine Frage dann beispielsweise Push and Pull Prinzip, der Geschwindigkeit, wie schnell kriege ich auch eine Rückmeldung, kann ich vielleicht auch einen Antragstatus einsehen, etc.
pp. Aber vielleicht um nochmal ein konkretes Beispiel zu geben und das ein bisschen zu sortieren, was ich gerade gesagt habe.
Und zwar kann man hier beispielsweise auch das digitale Familienleistungsgesetz, was jetzt sozusagen im Rahmen des OZG als OZG- Umsetzungsgesetz verabschiedet worden ist, erwähnen.
Also ich beispielsweise bin vor einem Jahr Mutter geworden, habe beantragt das Kindergeld, ich habe Mutterschutz beantragt, ich habe Elterngeld beantragt, ich habe diverse andere Leistungen beantragt, Kindergeld kommt noch dazu, genau.
Und für all diese Anträge habe ich im Prinzip die selben Daten, nämlich von mir, meinem Mann und meinem Kind mehrfach eingegeben.
Und aus meiner Perspektive heraus bin ich eigentlich in einer Lebenslage, also in einer Situation, ich habe ein Kind geboren.
Und für mich ist es viel einfacher, wenn ich all diese Anträge in einem Format bündeln kann und dann auch in der Lage bin, sozusagen dieses Format einmal an die Verwaltung weiterzugeben.
Und das wäre bürgerfreundlich. Das geht aber nur, wenn die Verwaltung hinten, also im Backend, auch sozusagen digital ist.
Und da geht die Bürgerfreundlichkeit dann eben weiter.
Das heißt, ein Antrag, den die Verwaltung von mir bekommt, sei es jetzt sozusagen gebündelt durch das digitale Familienleistungsgesetz, fünf Anträge in einem, druckt sie sich hinten aus und legt das in die analoge Ablage, ist das noch nicht digital und auch nicht bürgerfreundlich.
Wenn ich mich kurz umrechnen darf und fragen darf, also aus Skandinavien kenne ich das so, Dänemark vor allen Dingen, die hat einen Riesenvorteil finde ich.
Bei all dem, was du beschreibst, ist es so, dass du in Dänemark quasi hast du eine Stelle, die ist verantwortlich, wenn man das so formulieren möchte, von dem Geburtsgeld, was es in Dänemark vor ein paar Jahren zumindest noch gab, bis zum Sterbegeld.
Das heißt also, es ist irgendwie alles in einer Hand.
Man kennt dich auch, also man, weil klar, wenn es gut läuft, dann bekommst du nicht das Sterbegeld von dem, der dir das Geburtsgeld gegeben hat, so nicht, aber trotzdem kennt man dich ja in dieser Gemeinde oder in dieser Stadt, wo du das alles beantragst.
Das ist doch wahrscheinlich bei uns hinten ganz anders. Deswegen musstest du wahrscheinlich auch mehrfach mit deinen Daten kommunizieren, weil dorthinter einfach mehrere Behörden dahinter stehen.
Also das heißt, selbst wenn wir das digitalisieren, dann fehlt uns doch immer noch so ein bisschen diese Struktur dahinter, oder?
Also ja, das, was du ansprichst, ist ja im Prinzip der deutsche Föderalismus für unterschiedliche Lebenslagen oder für unterschiedliche Lebenssituationen sind unterschiedliche Behörden zuständig.
Und die Behörden dürfen letzten Endes auch untereinander nicht die Daten austauschen oder ihre Daten weitergeben.
Das ist ja genau der Punkt, den ich eben meinte oder angesprochen habe.
Und die Herausforderung an der Stelle ist halt, es technisch trotzdem so abzubilden, dass es für den Bürger am Ende wie ein Antrag aussieht.
Also ich möchte ja nicht als Bürger, und das ist dann auch der nächste Punkt, wie bilde ich diese IT-Landschaft dann nach außen ab?
Also ich kann ja auch weiterhin eine föderale IT-Landschaft haben, bilde die aber sozusagen für den Bürger eben entsprechend ab, dass er sich auf einem Portal anmeldet, dass er sich in einem Portal einloggt, also sozusagen nach dem Once-Only-Prinzip, aber ich entsprechend da relativ einfach durchgehen kann und dass ich als Bürger gar nicht mehr merke, beantrage ich das jetzt bei der Kommune oder beantrage ich das jetzt beim Land?
Das wäre bürgerfreundlich, genau.
Das wäre die Vision, genau. Ja, du hast eigentlich jetzt schon einen ganz spannenden Punkt mit eingebracht, den wir auch sprechen wollen.
Das ist das Thema Datenschutz in der Digitalisierung. Also einmal generell und vielleicht auch speziell auf dem Land, weil gerade ja, sage ich mal, den Kommunen und den Landkreisen da eine ganz herausragende Rolle in der Digitalisierung zum Tragen kommen, weil sie ja nun viel bürgernäher sind als jede Landesverwaltung.
So, und da ist es ja ganz spannend, wenn man dort mal mit sich beschäftigt und auf der einen Seite sieht, dass dort schon relativ viele Auflagen erfüllt worden sind, aber dass auch so ein Zitat von dem Stephan Brink, Landesdatenschutzbeauftragter Baden -Württemberg, dass eben die Kommunen vom Prinzip her willig sind, sozusagen diese Datenschutzgrundverordnung einzuhalten, aber die Städte und Gemeinden ganz oft schlecht aufgestellt sind und ihnen das Know-how auch fehlt.
Und du hast es gerade eben schon mal zwischendurch anklingen lassen, dass es den Behörden auch nicht erlaubt ist, untereinander zum Beispiel die Daten auszutauschen.
Also das ist ja dann, das klingt so ein bisschen irgendwie, dass da noch ein ganz großes Thema sowas wie so eine Krake, die nochmal oben drauf liegt, was das Ganze nochmal schwieriger macht, wenn man Struktur und IT sowieso schon als Herausforderung ansieht.
Und gerade mit deinem Expertenwissen, was du erlangen konntest, wäre auch die Frage, wie siehst du das, einmal diese Rolle dieser Landkreise und Kommunen und glaubst du, dass sie für diesen Datenschutz gut aufgestellt sind?
Und vor allen Dingen, was wäre vielleicht auch eine Lösung dafür, um das Ganze nicht als Verhinderung darzustellen?
Das ist ja oft, was man auch so wahrnimmt, wie oft darüber berichtet wird.
Also vielleicht erst mal zwei Dinge vorweg.
Grundsätzlich hat der Bürger ja den meisten Kontakt zur Verwaltung auf der Kommunalebene.
Das ist eben nun mal so, und das sehen wir ja auch beim OZG, dass die meisten der 575 Leistungen, die da umgesetzt werden sollen, eben von Land und Kommune vollzogen werden.
Und das Zweite ist so ein bisschen der Punkt, dass der Datenschutz gar nicht so viel damit zu tun hat, ob man jetzt auf dem Land ist oder nicht, sondern vielmehr, wie die Ressourcen einer einzelnen Verwaltung ausgestattet sind, um die EU-DSGVO umzusetzen.
Und letzten Endes auch vor allen Dingen, wenn wir das Thema Bürgerfreundlichkeit nochmal anschauen, was die Kombination mit diesem Thema angeht.
Ich glaube, das ist aber eben schon ganz deutlich geworden. Und die EU -DSGVO, die gibt es ja seit einigen Jahren, aber nichtsdestotrotz war das Thema Datenschutz ja auch vorher in Deutschland groß aufgehangen.
Und das ist ja auch ein Weg sozusagen, warum die EU -DSGVO so stark ist, weil da eben auch viele Aspekte des deutschen Datenschutzes mit reingeflossen sind.
Also es ist jetzt nicht so Überraschung, auf einmal ist die EU-DSGVO da und wir müssen sie alle umsetzen, sondern es war ja auch mit langen Ankündigungspflichten etc.
pp. verbunden. Manchmal glaubt man das, wenn man das so liest. Es kam so überraschend.
Ja, die Digitalisierung, wie gesagt, die kam ja durch Covid. Ich habe es ja auch am Unternehmensbeispiel von uns selbst verdeutlicht.
Die kam ja auch ganz überraschend.
Aber jetzt mal irgendwie die Fragen, die du gestellt hast, vielleicht nach und nach beantworten zu können.
Also oft steht der Datenschutz der Digitalisierung im Weg und manchmal auch andersrum.
Und das beste Beispiel dafür ist ja die Corona-App der Bundesregierung.
Also die App ist für die Nachverfolgung und vor allen Dingen sozusagen auch für den Gesundheitsschutz nicht sehr zielführend, weil ich als Einzelnutzer gar nicht nachvollziehen kann, wo habe ich mich angesteckt?
Mit wem war ich jetzt tatsächlich in Kontakt? Wen muss ich auch informieren?
All diese Informationen, die entstehen ja nicht aus der App, die werden ja auch an niemanden irgendwie weitergegeben und das ist eine große Herausforderung, wo Datenschutz wirklich vor Gesundheitsschutz steht an der Stelle.
Und auch wenn ich mir das OZG und die damit verbundenen Prozesse angucke, dann ist sozusagen das digitale Familienleistungsgesetz schon eine Erleichterung, weil es eben für diese eine Lebenslage, Geburt, eine gewisse Vereinfachung für Bürgerinnen und Bürger bringt.
Aber theoretisch gibt es ja allein, wenn wir es beim OZG denken, 575 Leistungsbündel und mit Sicherheit kann man die nochmal auch zusammenfassen, aber jetzt dann sozusagen jedes Mal dafür ein Umsetzungsgesetz zu schaffen, damit die einzelnen Behörden in der Lage sind, die Daten untereinander auszutauschen und es schwach sind.
Was hat man stattdessen gemacht?
Man hat stattdessen Deutschland im Bundestag und im Bundesrat das Registermodernisierungsgesetz verabschiedet, was sozusagen besagt, dass die Daten und auch die Personen, die über diese Daten oder die Personenkennziffer, die über die Daten da entstehen, dass die sozusagen ausgetauscht werden.
Und das ist entsprechend auch sicher mit dem 4-Corner -Modell, also da unterschiedliche unabhängige technische Instanzen, die dann sozusagen die Datenweitergabe prüfen und auch sozusagen das in einem gewissen Gleichgewicht halten und kontrollieren.
Aber ein anderes Beispiel, wo der Datenschutz sich selbst oder der Digitalisierung im Weg steht, ist die Idee des BMIs, ein Bürgerdatencockpit zu bauen.
Also laut EU-DSGVO bin ich ja auch dazu verpflichtet oder ist der Staat dazu verpflichtet, das sind ja Unternehmen genauso, einzelnen Auskunft darüber zu geben, wann, wie und zu welchem Zeitpunkt mal die Daten einer Einzelperson abgerufen worden und an wen sie auch weitergegeben worden sind.
So und rein technisch ist es aber tatsächlich so, dass es dafür eine zentrale Datenabfrage geben muss.
Also eine zentrale Stelle muss in der Lage sein, all diese Auskünfte einmal dem Bürger zu übermitteln, wenn er sie abfragt.
Dafür braucht man theoretisch eine Echtzeitdateninformation.
Theoretisch müsste das auch gespeichert werden, was da sozusagen an Daten abgerufen wird, damit der Bürger das nächste Mal, wenn er diese Auskunft erhält, auch sieht, okay, das habe ich zum letzten Mal abgerufen und zu dem Zeitpunkt war das so und so.
Das ist aber rechtlich nicht möglich und die Herausforderung, die besteht gerade im Sinne der Nutzerorientierung, ist ja, wenn ich mir bedenke, eine zentrale Stelle muss all die Daten, die sozusagen der Staat über mich erfasst hat, erstmal von den unterschiedlichen Stellen abfragen, der muss die laden, dann sitze ich da vielleicht, wenn ich Glück habe, sitze ich da 30 Sekunden vorm Rechner und warte.
Aber das ist ja nicht mein Nutzerverhalten.
Mein Nutzerverhalten ist ja, nach 20 Sekunden spätestens bin ich weg.
Also dann bin ich weg von der Webseite. Das würde mir ja bei jedem, also mir würde das bei jedem Shoppingerlebnis im Internet oder was auch immer, würde mir das passieren.
Ich würde den Anbieter wechseln. Ja, genau. Was hier schwierig ist.
Aber das ist ja ein super spannender Punkt. Darüber habe ich sogar noch gar nicht nachgedacht.
Ist denn jetzt, sagen wir mal, das können wir ja gar nicht leisten.
Also wir können ja tatsächlich es nicht leisten, obwohl die DSGVO ja eigentlich sagt, dass du da doch einen Anspruch drauf hättest.
Also wie wird das denn dann hier mal umgesetzt werden?
Muss ich dann sozusagen jede einzelne Stelle, die was mit mir zu tun hat, muss ich mir da mein Cockpit quasi abholen?
Ist das die Idee?
Jetzt ja. Jetzt ist der Stand so momentan. Also meines Wissens ist der Stand jetzt so.
Und die Idee ist halt eben das zu zentralisieren. Sonst müsstest du jetzt theoretisch, müsste ich jetzt bei der Familienkasse anfragen, welche Leistungen, welche Daten von mir, wann verwendet worden sind etc.
Und du müsstest ja allein schon mal dich erinnern, indem du überall Kontakt hattest, da geht es ja schon mal los.
Das ist ja auch schon so ein Thema. Und das ist halt der Punkt, das ist nicht nutzerfreundlich, um an so einer nutzerfreundlichen Lösung zu arbeiten.
Ich glaube, das geht und das ist auch möglich.
Und es gibt da auch coole Lösungen und coole Ideen, gerade wenn man so an die Visualisierung denkt.
Ich glaube auch an so eine App, die richtig Spaß machen kann, wo man dann irgendwie nachverfolgen kann, welche Behörde die Daten hatte und dann an welche anderen Institutionen oder Einrichtungen die Daten weitergegeben worden sind.
Aber es muss halt wirklich auch funktionieren und zu diesem Funktionieren gehört halt auch eine gewisse Schnelligkeit dazu.
Da würde ich sagen, da stellen wir erstmal 10 Flaschen in den Keller wieder zurück.
Von Herrn Altmaier. Also das sehe ich noch nicht so. Aber es ist ein wunderschöner Übergang zu wir bleiben beim Thema Datenschutz und ich habe das mal hier betitelt mit dem Thema Datenschutz falsch verstanden.
Ja, weil das ist ja auch, das ist durch die Pandemie, hört man so Töne wie eben auch richtig, ich glaube, der Ministerpräsident Baden-Württemberg, Kretschmann hat sich ganz negativ ausgedrückt über den Datenschutz.
Und so fühlt sich der Datenschutz dann auch ein bisschen in die Ecke gedrängt.
Und da gibt es halt aus Niedersachsen ein wirklich, wie ich finde, sensationelles Beispiel, was lustig ist, aber auch eigentlich doch ganz traurig ist.
Und zwar geht es darum, dass das Sozialministerium in Niedersachsen eben die Nutzung des Melderegisterdatenspiegels, also das sind diese tagesaktuellen Zusammenstellungen von kommunalen Melderegisterdaten, die dürfen die halt aufgrund von landesrechtlichen Regelungen nicht nutzen.
So und sie wollten die aber gerne nutzen, um eben diese Impfinformationen an die Personen über 80 Jahre zu versenden.
Und diese, also dieses Nichtnutzen, das basiert halt auf Regelungen des niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesmeldegesetz und so weiter und so weiter.
Das steht entgegen. So und das implodiert natürlich auch, dass dort nicht die Einbindung eines privaten Dienstleisters vorgesehen ist.
Okay, das ist ja schon fast selbsterklärend, wenn das die Behörden nicht tun dürfen.
So und dann ist man in Niedersachsen auf eine ganz tolle Idee gekommen.
Und zwar, dass man für diesen Zweck jetzt eine Datenbank der Deutschen Post direkt verwendet.
Da gab es aber wohl ein paar Lücken mit den Geburtsjahrgängen.
So und dann hat man hier und das finde ich so herrlich, das ist so amtsdeutsch.
Man hat dann diese Datenbank eingesetzt mittels statistischen Daten zum Schätzalter auf Vornamensbasis.
Also was so viel heißt wie guckt in der Datenbank nach Josefs und Almas und genau das ist passiert.
Und wir wohnen hier gegenüber von so einem Kindergarten und da haben jetzt viele kleine Josefs und Almas eben umfassende Informationen bekommen über ihren bevorstehenden Impftermin.
Also ich glaube, es hat schon zu extra 3 geschafft.
Wenn nicht, kommt es da noch rein. Aber was ich einfach hinaus will, ist was ganz anderes.
Da ist was ganz Spannendes passiert, was ich vorher auch gar nicht gewusst habe.
Denn die Stellungnahme, also die niedersächsische Datenschutzbeauftragte hat sich zu diesem Fall zu einer Stellungnahme bewegen lassen.
Oder sie musste es tun oder hat sich dafür gesehen, dass sie es tun möchte.
Und das lasse ich mal ganz anders. Also ich zitiere sie mal. Wir sehen aus datenschutzrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit für die Verwendung der Datenbank der Deutschen Post direkt GmbH.
Es gibt rechtlich gangbare Möglichkeiten, um die Meldedaten zu verwenden.
Es ist nun wieder einmal der falsche Eindruck entstanden.
Datenschutz stünde über allen Gütern und würde notwendige Maßnahmen verhindern.
Bedauerlicherweise ist mein Haus in diesen Fragen nicht vom Sozialministerium eingebunden worden.
Da habe ich mehrere Fragen. Also die eine ist eben die, hat der Datenschutz neben seinem nach meiner Auffassung vorhandenen Imageproblem in der Wirtschaft auch noch ein solches in der Verwaltung, also quasi im eigenen Haus?
Das scheint ja so ein bisschen daraus hervorzugehen. Und die zweite Frage ist ja die, es klingt irgendwie nicht nach Zusammenarbeit.
Ja, wenn jemand sagt, ich bin nicht eingebunden worden.
Und ich meine, wenn es doch irgendein Thema gäbe, wo alle zusammenhalten müssen, dann wäre das doch jetzt, oder?
Ja, also vielleicht kann ich die erste Frage lässt sich relativ einfach beantworten.
Dann fange ich mal damit an. Also die klassische Organisation in der Verwaltung ist ja hierarchisch und erst jetzt sozusagen auch durch die Digitalisierung merkt man, dass man eben Projekte nicht mehr nach Linie organisieren und durchführen kann, sondern dass man sie eben quer durchführen muss.
Und das passiert beispielsweise auch beim Thema OZG.
Und das finde ich sehr spannend.
Auch der Austausch verschiedener Behörden miteinander. Das ist ein absolutes Manko und hat bisher viel zu wenig untereinander stattgefunden.
Aber deswegen gibt es ja so coole Netzwerke wie beispielsweise Next oder andere, wo sich eben Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung miteinander vernetzen können und auch austauschen können.
Nichtsdestotrotz ist das wieder ein Beispiel, wo sozusagen Datenschutz vor Gesundheitsschutz geht, was du gerade gesagt hast.
Also die Länder, und ich glaube, so ist es zumindest in Berlin, dürfen sich nicht der Daten der kommunalen amtlichen Melderegister bedienen.
Und im Fall von Niedersachsen war es laut Erklärung des Gesundheitsministeriums ja so, dass, das hast du eben auch gesagt, nach dem niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Bundesmeldegesetz, dass das Privatunternehmen, was sozusagen mit der Zustellung der Briefe beauftragt wurde, nicht auf die Melderegister des Landes zugreifen durfte.
Und die Vermietdatenbank der Deutschen Post sei hingegen erlaubt, so jetzt sozusagen die Annahme des Gesundheitsministeriums.
Und wenn dann eben schnell eine Lösung her ist, und das ist genau der Punkt, dann besteht der Versuch, eben kreativ zu werden und sich andere Wege zu suchen.
Und der rechtlich gangbare Weg ist jetzt nicht immer der schnellste Weg.
Und im Zweifelsfall, und das sieht man ja auch beim OZG, da müssen eben Gesetze angepasst werden oder Gesetze verändert werden.
Und die Bereitschaft dazu ist da, aber es geht halt nicht so super schnell.
Also es ist auch immer einfacher auf einer grünen Wiese sozusagen, wo es keine vorher analoge Leistung gegeben hat, diese ins Digitale, wo es keine analoge Leistung gegeben hat, direkt eine digitale zu entwickeln, als sozusagen von der analogen erstmal ins Digitale zu gehen und dann zu gucken, welchen Prozess haben wir und wie muss man den Prozess verändern.
Und oft erfordert dann der rechtlich zulässige Weg mehr Umwege, auch wenn gerade etwas schnell gehen soll.
Und in diesem Fall bedient man sich der Daten externer. Und das finde ich die eigentliche Herausforderung an der Stelle, weil da sind Schätzdaten von Externen kombiniert worden, wobei jetzt Josef und Alma ein sehr schöner Vorname ist.
Aber ich weiß jetzt nicht, warum die Post das auf Basis des Vornamens dann das Alter meines Kindes schätzen muss.
Also mit welcher Legitimation geht dann ein Externer hin und erstellt einen Satz über mich.
Mit Blick auf die Uhr, wir müssen das vertiefen.
Ja, wir sind leider schon am Ende angekommen.
Es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich hoffe, dir auch. Ja, mir auch.
Wir vertiefen das und wir werden das definitiv verfolgen. Und am liebsten dann auch mal live, auch gerne mit so einer Flasche Grauburgunder, oder?
Ja, genau. Aber ich glaube, wir müssen nicht warten auf den Bundeskanzleramtsminister.
Danke. Ciao.